Waren wir bislang eher an kammermusikalisch besetzte Stücke gewöhnt, so wartet BWV 205 «Zerreißet, zersprenget, zertrümmert die Gruft» mit einer ungewöhnlich reichen Besetzung auf. Weder fehlen Chor samt vier Gesangssolistinnen und -solisten noch ein mit viel Holz, Blech und Schlagwerk besetztes Orchester. Wofür? Um den Namenstag eines Leipziger Hochschullehrers namens Müller zu feiern. Friedrich August, immerhin. Und Professor der Logik und der Philosophie. Es handelte sich, es ist zu vermuten, wohl um ein satt bezahltes Auftragswerk für Johann Sebastian Bach und seinen Textverfasser Picander. Jedenfalls liessen sie sich nicht lumpen. BWV 205 ist pompös, dramatisch, geistreich und lustig. Wie soll man solches aufführen? Heiliger Ernst wie bei den Kirchenkantaten wäre fehl am Platz, Schalk und Musizierfreude sind es wohl eher. Was bringt die barockstrotzende Kurzoper dem heutigen Publikum? Heiteren Musikgenuss, unbeschwertes Vergnügen. Das darf, auch und gerade nach einigen bedeutungsschweren Kirchenkantaten, durchaus sein.

Heiterkeit, Unbeschwertheit: Wenn wir unseren nächsten Reflexionsredner charakterisieren müssten, dann genau so. Verbunden mit ausgeprägtem Tiefgang umfassender humanistischer Bildung und intellektueller Neugier. Wir sprechen von Arthur Godel, dem langjährigen Direktor des schweizerischen Kultursenders DRS 2 und dem beinahe so langjährigen Intendanten für die Reflexionsreihe der J. S. Bach-Stiftung, auf Ende 2023 abgelöst durch Barbara Bleisch. «Unser» Arthur hat noch einmal einen Auftritt bei uns, und auf diese Art bedanken wir uns bei ihm auch für die wunderbare Zusammenarbeit. Heiter, unbeschwert, und doch mit einer Träne in den Augen.

Bitte beachten Sie den besonderen Aufführungsort, nämlich die Rudolf Steiner Schule ganz im Osten der Stadt St. Gallen mit ihrem akustisch hervorragenden und für solche Manifestationen genau passenden Theatersaal. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der Thematik der Kantate die «Calov-Bibelrunde» diesmal entfällt. Im Weiteren weisen wir auch darauf hin, dass aufgrund ihrer Länge die Kantate nicht doppelt aufgeführt werden kann.

Einige weitere Hinweise: Am 1. Juli 2024 reist ein Kammermusikensemble der J. S. Bach-Stiftung nach Perugia, um am dortigen Trasimeno Music Festival, organisiert von Angela Hewitt, teilzunehmen. Es wird ein reizvolles Konzert mit Musik von Bach und Lutz aufgeführt. Mit dabei sind Sopranistin Miriam Feuersinger und Bassbaritionist Peter Harvey. Das Programm, dann ergänzt um Purcell, wird auch am Donnerstag, 4. Juli 2024 um 19.00 Uhr im Rahmen der diesjährigen St. Galler Festspiele in der Kirche zu St. Laurenzen erklingen. Karten sind über die jeweiligen Veranstalter erhältlich. Und wenn wir bereits beim Thema Gastspiele in diesem Jahr sind: Uns erreichten bereits einige Nachfragen, wann der Vorverkauf für unser Weihnachtsoratorium am 21. Dezember 2024 im KKL starten würde. Der Einzelkartenverkauf startet am 1. August über den Veranstalter Swiss Classic.

Schliesslich warten wir zum Halbjahresende auch noch mit der CD Nr. 47 auf. Drei Kantaten sind darauf zu finden, nämlich die BWV 130 «Herr Gott, dich loben alle wir», an die wir uns aufgrund ihres heiteren Umgangs mit der Engelschar noch gerne erinnern, sodann BWV 202 «Weichet nur, betrübte Schatten», jene Hochzeitskantate mit dem unvergesslich schönen Auftakt und dem burlesken Ende, schliesslich BWV 77 «Du sollt Gott, deinen Herren, lieben». Noch immer sind wir der Ansicht, dass Bach darin das menschliche Ungenügen durch eine praktisch unspielbare Nummer für Zugtrompete, die Tromba da tirarsi, ausgedrückt hat. Im Übrigen fasziniert diese Kantate aber vor allem durch die Verwebung von Alt und Neu, geht es inhaltlich doch um die Schnittmenge zwischen Altem und Neuem Testament der Bibel.

Bleibt uns, Ihnen und uns allen eine erholsame Sommerpause und dann ein Wiedersehen in Gesundheit, Wohlergehen und Lebensfreude bei den Appenzeller Bachtagen im August 2024 zu wünschen.