«Mache dich, mein Geist, bereit» BWV 115 steht nicht zuvorderst auf der Ladentheke und ist nur den Unersättlicheren unter den Bachliebhabern bekannt. Weshalb wohl? Denn der Kantate fehlt wahrlich nichts, weder ein eindrücklich-komplexer Eingangschor noch zwei punkto Innigkeit kaum zu überbietende Arien noch zwei ausdrucksstarke Rezitative noch ein zielgenauer Schlusschoral. Uns hat es vor allem die Sopranarie Nr. 4 angetan. Bach selber verordnete als Tempo «Molto Adagio», was selten vorkam. Wer sich noch an die Auftritte der Sopranistin Julia Doyle bei der Messe h-Moll und bei anderen Gelegenheiten zu erinnern vermag, wird sich diesen Hörgenuss nicht entgehen lassen wollen.
Die Reflexion zur Kantate BWV 115 wird von Markus Wild gehalten. Der gebürtige Flawiler lehrt heute Theoretische Philosophie an der Universität Basel und hat sich als Anwalt einer Geistigkeit von Tieren hervorgetan. Für Aristoteles lag der Unterschied zwischen Mensch und Tier im «Logos», dem Geist, der allein dem Menschen vorbehalten sei. Spätere Denker schlossen das Tier als Teil der Schöpfung weniger konsequent vom – letztlich göttlichen – Geistigen aus. Heute sprechen wir über den «Geist der Tiere» und von «Tierphilosophie», ja von Bioethik. «Mache dich, mein Geist, bereit» – müssen die Menschen lernen, ihre lebende Umwelt in diese Aufforderung einzuschliessen? Und was würde das konkret bedeuten?