Nicht gerade als Gegenstück zum bekannten «Actus tragicus» bzw. zur Kantate BWV 106 «Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit», aber immerhin als kleine, muntere Schwester jener frühen Kernkomposition von Johann Sebastian Bach könnte man BWV 196 «Der Herr denket an uns» bezeichnen. Dies schon rein formal, was den Aufbau der zwei Stücke anbelangt, nämlich den Verzicht auf verbindende Rezitative und auch auf einen Schlusschoral. Dann auch textlich, indem allein biblische Texte vertont werden; hier sind es die Verse 12 – 15 des 115. Psalms. Beides, Form und Text, verleiht der Kantate «Der Herr denket an uns» eine bemerkenswert schlanke Statur, die dann aber vom Komponisten aufs Grosszügigste eingekleidet wird. Man empfindet das Stück deshalb nicht als kurz, sondern ausserordentlich reichhaltig und beglückend: Denn es könnte vom jugendlichen Bach als Hochzeitsmusik für sich selber oder einen nahestehenden Freund geschrieben worden sein.
Wenn jemand zu Herkunft und näheren Umständen dieses musikalischen Bijoux‘ tiefgehende Auskunft geben könnte, dann ist das der Musikwissenschaftler Michael Maul aus Leipzig. Unser Reflexionist der kommenden Kantate hob schon manchen Schatz aus Archiven und Bibliotheken und kennt wie nur wenig andere Bachs Lebensumstände en détail, so, wie sie sich heute eben noch erschliessen lassen. Als Intendant des Bachfests Leipzig sorgt er mit seinen Programmen für einen immer einfacheren Zugang zu Bachs Werken, namentlich auch bei Jugendlichen. Bach als Generationenprojekt – dieses Ziel teilen sich Michael Maul und unsere Bach-Stiftung, und daraus hat sich eine weitreichende, tiefe Freundschaft ergeben.