Von fehlender Akzeptanz des Todes war während der Corona-Pandemie häufig zu lesen. Bilder von Militärlastwagen mit aufgestapelten Särgen gingen um die Welt, erschreckten als memento mori die Wohlstands-Wohlfühl-Welt des Westens und führten zum ersten Lockdown. Wie anders muss das vor dreihundert Jahren gewesen sein! «Wer weiß, wie nahe mir mein Ende» zeugt von einem Lebensgefühl, in dem der Tod für buchstäblich jeden allgegenwärtig war. Die Medizin konnte noch wenig ausrichten, und deutlich schlimmere Viren und Bazillen als Covid-19 sorgten für eine hohe Sterblichkeit bei der Geburt, im Kindbett und durch den ganzen Verlauf eines menschlichen Lebens. Der Kantatentext widerspiegelt die unerbittliche Dauerpräsenz des Todes in Leben und Gesellschaft von damals.
Post coronam können wir die Kantate wohl etwas besser verstehen als zuvor, ja wir könnten sie vielleicht sogar als eine Art Trauerode für die vergangenen 16 Monate zu verstehen versuchen. J. S. Bach spielt auf allen Manualen seiner kompositorischen Orgel und zieht sämtliche Register, vom passionsgleichen Eingangschor mitsamt Solorezitativen und einem extrem dichten Orchestersatz über eine beinahe frivole Alt-Arie («Willkommen! Will ich sagen, wenn der Tod ans Bette tritt.»), eine zwischen innerer Abgeklärtheit und äusserem Getümmel mäandrierende Bass-Arie bis zum Schlusschoral, für den Bach ein Originalzitat des um zwei Generationen älteren Johann Rosenmüller verwendet hat.
Unsere Reflexionsreferentin Ina Schmidt steht als Mutter von drei Kindern und äusserst aktive Autorin philosophischer Sachbücher mitten im Leben. «So viele Fragen an die Welt» heisst eines davon. An die Welt? An Gott? An uns selber? Wir werden es erfahren.
Noch kehren wir nicht nach Trogen zurück, obschon das mit entsprechenden Zertifikaten theoretisch möglich wäre. Die Pandemie-Situation scheint uns jedoch noch zu unsicher, um einen solchen Schritt zu tun. Die sehr grosse Bühne in der Messehalle erlaubt es uns, auch unter Berücksichtigung strenger behördlicher Auflagen Konzerte mit Chorgesang durchzuführen. Von diesem erfolgreichen Arrangement wollen wir erst abrücken, wenn keine neuerlichen Einschränkungen mehr drohen. Ab sofort gelten jedoch die erleichterten Vorschriften für Anlässe mit Publikum: Die Maskenpflicht entfällt, ebenso die Abstandsregeln. Voraussetzung für eine Teilnahme ist ein gültiges Covid-Zertifikat (für Genesene, Geimpfte oder Personen mit einem negativen Testergebnis) in elektronischer oder Papierform. Ihre Anmeldungen zum Konzert (neu mit Kategorie A und B) nehmen wir wie immer gerne entgegen: info@bachstiftung.ch
Da mithin nun sozusagen jedermann physisch am Konzert teilnehmen kann, wird kein Livestream mehr übertragen. Unseren Musikerinnen und Musikern und auch der ganzen Aufnahmecrew danken wir herzlich fürs Durchhalten bei diesen zusätzlichen, sehr aufwendigen Direktübertragungen. Nun konzentrieren wir uns wieder voll auf unsere redigierten Endaufnahmen in Ton und Bild, welche einige Monate nach der Aufzeichnung kostenlos auf bachipedia.org zur Verfügung stehen werden.
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