Wenigstens eine zweiteilige Kantate? Eine mit Pauken und drei Trompeten? Nein. Eben gerade nicht. Denn das Gewöhnliche ist bei Bach aussergewöhnlich genug. Ja, es trifft zu, BWV 5 «Wo soll ich fliehen hin» ist insofern gewöhnlich, als die Kantate über sieben Nummern verfügt, davon einen Eingangschor (aber was für einen!), drei Rezitative (aber mit welchem Psychogramm!), zwei Arien (kontemplativ die eine, triumphal die andere!) und einen Schlusschoral (ganz gewöhnlich in Bach’scher Manier gesetzt). BWV 5, eine von den hunderten wöchentlichen Kompositionen Bachs, gewöhnlicher geht’s nicht mehr… Fülle, Kraft und Einfallsreichtum machen auch dieses Werk des Thomaskantors aus; es passt wunderbar ins Gesamtkonzept der Appenzeller Bachtage, das sich mit den Bildern von und über Bach beschäftigt. Denn der Kantate liegt ihrerseits ein starkes Bild zugrunde: dass der Mensch von seinen Sünden reingewaschen werde.
Mit Anselm Grün haben wir gewiss einen Katholiken als Reflexionsreferenten gewinnen können, der dieses starke Bild in unsere Zeit hinübertragen und erklären kann: unverkrampft und grundoptimistisch, wie man ihn aus seinen zahlreichen Büchern und von seinen öffentlichen Vorträgen her kennt. Anselm Grün verkörpert selber ein starkes Bild: dass Christentum nichts Trauriges sein muss. So wird er den Bilderbogen der Appenzeller Bachtage mit viel Farbe beleben.
Ganz besonders freuen wir uns auf den Einstand von Pfr. Dr. Niklaus Peter-Barth als theologischem Sparringspartner unseres musikalischen Leiters Rudolf Lutz in der Werkeinführung. Herr Pfr. Peter wird aber nicht nur zweimal, am Donnerstag und Freitag, bei den Kantatenaufführungen mitwirken, sondern gleich auch noch am Festgottesdienst der Appenzeller Bachtage am Sonntagmorgen die Predigt halten. «Bist willkommen, edler Gast!» (BWV Anh. 163)
Apropos: Studieren Sie das Programm der Bachtage bestellen Sie bei unserer Geschäftsstelle Ihre Karten. Die Reihen füllen sich dieser Tage zusehends. Es gibt sehr viel Bach zu hören, alles ausserordentliche Musik, von ausserordentlichen Musikerinnen und Musikern vermittelt. Und ganz zu Beginn, im Eröffnungskonzert, kann man auch Lutz hören: in seiner Bach-Luther-Kantate. Diese Schweizer Uraufführung sollte man nicht verpassen.
Auch von einer Uraufführung, und ebenfalls von Rudolf Lutz, handelt unsere nächste CD. Sie springt aus unserer Reihe der Kantatenveröffentlichungen und ist ganz und gar aussergewöhnlich: die Aufnahme der «Landsgemeindekantate» vom 27. April 2018 in Trogen. Welch prachtvolle Komposition! Herzlichen Dank an alle, vom Komponisten/Dirigenten über den Tonmeister bis zur Betreuerin des Booklets und zum Verfasser der Texte, die eine so rasche Produktion rechtzeitig auf die Appenzeller Bachtage ermöglicht haben. Die CD eignet sich sehr gut zur Weitergabe, zum Beispiel als aussergewöhnliches Geschenk an liebe Freundinnen und Freunde.