Dieselbe Aussage prägt auch die Kantate «Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen» BWV 87; es geht um Gottesferne und Gottesnähe. Wie meistens wählt Bach mehrere, klar unterscheidbare Aspekte, um dem Thema gerecht zu werden. Am unmittelbarsten wirkt wohl die ungemein tröstliche Tenorarie Nr. 6 «Ich will leiden, ich will schweigen» mit ihrem schon beinahe jenseitigen Geigenschmelz. Insgesamt handelt es sich wieder einmal um eine relativ unbekannte Kantate von grosser Schönheit und Tiefe.
Angelika Schett weiss als Kennerin der Psychoanalyse um das Thema der Gottesferne, die ja oft auch mit einer Entfremdung des Menschen von sich selbst einhergeht. Bitten, Beten als Therapieform – ist solcherlei Rezeptur nach modernen Erkenntnissen der Psychologie noch vertretbar? Das wäre unsere Frage an die in Basel lebende Sozialpsychologin. Vielleicht wird sie jedoch über etwas völlig anderes, Überraschendes sprechen. Dass unsere Reflexionsreferenten in ihrer inhaltlichen Gestaltung absolut frei sind, gehört zu den Alleinstellungsmerkmalen unserer Tätigkeit und verleiht dem Kantatenkonzert regelmässig zusätzliche Spannung.