Um die Gabe des heiligen Geistes wissen sie noch nicht. Lässt der Herr die Seinen wieder im Stich, kurz nach seinem schmählichen Ende am römischen Kreuz? Diese bange Ahnung liegt nahe, einerseits. Andrerseits beschreibt der Auffahrtsmythos den triumphalen Abschluss der zweiten, geheimnisvollen Erscheinung des Gottessohns auf der Erde. Elias wurde in einem Feuerwagen, Christus auf einer Wolke gen Himmel gehoben.
Johann Sebastian Bach hat die zwei gegenläufigen Aspekte in seinen Kantaten zum Auffahrtsfest selbstverständlich ausgiebig genutzt und verarbeitet. Noch in frischer Erinnerung mag unserem Publikum das «Auffahrtsoratorium» BWV 11 «Lobet Gott in seinen Reichen» sein, das wir im Mai 2022 aufgeführt und aufgezeichnet haben: In der Arie «Ach bleibe doch, mein liebstes Leben» wird schmachtende Rückwärtsgewandtheit geradezu zelebriert, um dann umso inspirierter die Vorahnung vom Pfingstwunder zu verkünden. In der vorliegenden – deutlich kürzeren – Kantate BWV 128 «Auf Christi Himmelfahrt allein» bringen die Textdichterin Christiana Mariana von Ziegler und der Komponist Johann Sebastian Bach eine weitere Dimension ins Spiel, die mystische Erhöhung nämlich des Menschen zur unmittelbaren Gottesbegegnung. Durch Aussicht auf die «ewige Herrlichkeit» sollen Jammer, Angst und Pein der Welt erträglich bleiben.
In unserer unmittelbaren Nachbarschaft lebt der österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier. Der vielfach geehrte Verfasser von unzähligen Romanen und Gedichten kennt Jammer, Angst und Pein der Welt ganz persönlich, verloren er und seine Frau doch ihre Tochter vor etwa 20 Jahren bei einem Bergunfall ob Hohenems. Und er kennt die Schattenseiten der öffentlichen Welt als unerschrockener Warner vor neofaschistischen Tendenzen in seiner Gesellschaft. Mythen, Verklärung, Absturz, Welt – Auffahrt, ewige Herrlichkeit: Ianus hat das Feld für eine anregende Reflexion wahrlich weit gesteckt.
Dieser Tage ist unsere CD 46 erschienen mit den Kantaten BWV 31 «Der Himmel lacht! Die Erde jubilieret», BWV 85 «Ich bin ein guter Hirt» und BWV 178 «Wo Gott der Herr nicht bei uns hält». Die Tonregie von Gallus Media hat wieder exellent gearbeitet und das Booklet, erarbeitet von Dr. Anselm Hartinger, bietet weitere spannende Einsichten.
Wir wünschen schöne Konzerterlebnisse.