Ausgerechnet in dieser Zeit der zumeist selbstverschuldeten Ridikulisierung tatsächlich oder angeblich wichtiger Menschen führen wir die Kantate BWV 207 «Vereinigte Zwietracht der wechselnden Saiten» auf. Huldigen? Wem? Warum? Und: wie? Nun, Johann Sebastian Bach hatte auch darin eine sichere Hand. Ging es in der eben gerade im Juni aufgeführten Kantate um einen Herrn Müller, mit Vornamen immerhin August (wie der König von Sachsen und Polen), wird diesmal dem Juristen Gottlieb Kortte zu seiner Berufung als Professor für Römisches Recht an der Universität Leipzig gehuldigt. Die Auftraggeber liessen sich nicht lumpen: Die Kantate ist reich besetzt und vielfarbig, ja üppig komponiert. Ein musikalisches Freudenfest! Fast ist man versucht zu sagen: Je unbedeutender der eigentliche Anlass, desto intensiver legte sich Bach ins Zeug.

Normalerweise rezyklierte Johann Sebastian Bach dann solche Musik im sogenannten Parodieverfahren in Richtung geistlicher Werke. Wir haben schon manche solcher Beispiele aufgeführt und waren stets überrascht, wie anders und neu die Musik erklang – nicht zuletzt auch im Weihnachtsoratorium, das bekanntlich viele nichtgeistliche Vorgängerwerke hat. Für BWV 207 fehlen solche Nachfolgewerke. Sehr gern nehmen wir die Ersatzvornahme für Kollega JSB vor! An den Appenzeller Bachtagen (21. – 25. August 2024), die ja unter dem Titel «Bachs Werkstatt» stehen, können Sie den Prozess mitverfolgen. Die Akademie «Parodieren? – Aber richtig!» bietet eine sprachlich-musikalische Kantatenwerkstatt am Freitag, 23. August um 09.30 Uhr. Am Sonntag, 25. August um 09.45 Uhr wird dann in der evangelischen Kirche Teufen die Uraufführung der Kantate BWV 207hl ­«Unsere Väter hofften auf Dich» im Rahmen eines Festgottesdienstes erklingen. «hl» steht für die Namen von Anselm Hartinger, der für das neue Libretto zeichnet, und Rudolf Lutz, der die Parodie musikalisch verantwortet.

Unser Reflexionsredner Markus Will ist ein Meister der Huldigung. Manche wohlgelobte Rede hochwohlgelobter Magnaten stammte aus seiner Feder. Er gibt sein Wissen und Können als Privatdozent für Kommunikations- und Medienmanagement an den Universitäten St. Gallen und Zürich weiter. Vorher war er PR-Chef von Investmentbanken in London, was ihn auch in die Lage versetzt, realitätsnahe Kriminalromane zu verfassen. Sein Lobgesang auf Manager hält sich dort in eher engen Grenzen.

Das Kantatenkonzert und der Festgottesdienst mit dem orginalen und parodierten Werk sind nur zwei von vielen Highlights an den diesjährigen Appenzeller Bachtagen, die weitere Geheimnisse der Bach’schen Komponierstube lüften. Sorgfältig kuratierte Konzerte und Jugendprojekte erkunden das Potenzial der Bach’schen Tonsprache und entwickeln daraus selbstbewusst eigene Positionen. Musikalische Akademien und philosophische Gesprächsformate widmen sich Aspekten der Bach’schen Schaffenspraxis und werfen die heute vieldiskutierte Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen «kultureller Aneignung» auf. Falls Sie sich nicht schon längst Ihren Generalpass oder Tickets für einzelne Veranstaltungen gesichert haben, erinnern wir gern noch einmal an den laufenden Vorverkauf.

Der Schuber XVI mit allen DVDs des Jahres 2023 ist frisch ab Presse bei uns eingetroffen und kann über unsere bekannten Verkaufsstellen bezogen werden. Wir bedanken uns für alle bereits eingegangenen Vorbestellungen, die schon auf dem Weg zu ihren Empfängerinnen und Empfängern sind. Wir wissen, dass das DVD-Format längst überholt ist und das technisch Neue dem Veralteten überlegen ist. Aber die ansehnliche Sammlerschaft unserer Gesamtausgabe soll auch weiterhin bedient werden.

Wir wünschen schöne Konzerterlebnisse und freuen uns, Sie an den Appenzeller Bachtagen persönlich begrüssen zu dürfen.