Der grosse Reiz der kleinen Gloria-Messen von Johann Sebastian Bach liegt wohl darin, dass man an ihnen den reifen und erfahrenen Musiker im Umgang mit dem eleganten Kompositionsstil seiner Zeit – den 1730er Jahren – miterleben kann. Dass gleichzeitig weder die gewohnte Polyphonie noch die tiefe Verwurzelung in der lutherischen Tradition zu kurz kommen, ja, dass selbst Choralinhalte den Weg in die Messesätze finden, darin wiederum liegt die Einmaligkeit von Bachs kombinatorischem Genie. Kurzum: eingängige, insgesamt frohgemute Musik, aber mit dem üblichen Qualitätsanspruch, auch und gerade dort, wo früher Komponiertes «rezykliert» wurde – weil Bach genau diese Stücke ungemein geschätzt haben muss. In etwa so entstand ja auch die grosse h-Moll-Messe.
Wie letztes Jahr erklingen wiederum zwei Gloria-Messen im Doppelpack an zwei aufeinanderfolgenden Abenden, und wiederum dürfen wir zu Gast sein in der St. Galler Kathedrale, aus deren «Rosshimmel» genannten Apsis unter der grossen Empore die Musik erklingen wird. Wie auch im letzten Jahr wird das Publikum dabei die Musik ohne direkten Blick auf das Ensemble erleben und geniessen. Am Donnerstag, 14. September 2023 bringen wir die Messe BWV 233 in F-Dur, am
Freitag, 15. September 2023 die Messe BWV 234 in A-Dur zur Aufführung.
Für die Reflexionen konnten wir zwei Theologen gewinnen, nämlich einerseits Herrn Jörg Frey (Donnerstagabend) und andrerseits Frau Dorothea Lüddeckens (Freitagabend), die beide an der theologischen Fakultät der Universität Zürich unterrichten, den an sich bekannten und auf den ersten Blick wenig erklärungsbedürftigen Messetext aus je ihrer spezifischen Fachrichtung zu beleuchten. Prof. Dr. Jörg Frey ist Neutestamentler mit Schwerpunkt u.a. bei den Aposteln Johannes und Paulus. Prof. Dr. Dorothea Lüddeckens befasst sich vornehmlich mit Spiritualität um Sterben und Tod in Indien und in Westeuropa. Vielleicht erscheint post festum der Messetext doch erklärungsbedürftiger als gedacht. Wir werden es sehen.
Bitte beachten Sie, dass die Einführungsworkshops samt Imbiss nicht in der Kathedrale, sondern im unweit gelegenen und architektonisch sehr ansprechenden Calatrava-Bau des Pfalzkellers stattfinden. Dort werden uns wie üblich unser musikalischer Leiter Rudolf Lutz und sein theologischer Begleiter Dr. Niklaus Peter die Werke näherbringen.
An dieser Stelle sei nicht versäumt, dass wir uns herzlich bei der Administration und bei Dompfarrer Beat Grögli für das Gastrecht in der St. Galler Kathedrale bedanken. Wir betrachten es nach wie vor als grosses Privileg und als Zeichen gelebter Ökumene, dass wir mit solch geballter lutherischer Ladung im St. Galler Dom auffahren dürfen. Das alles stimmt optimistisch und frohgemut.
Freuen Sie sich mit uns über das Erscheinen unserer neuesten CD Nr. 44 und sichern Sie sich Ihr Exemplar. Dieses Mal erscheinen die Kantaten: Kantate BWV 14 «Wär Gott nicht mit uns diese Zeit», von der man weiss, dass Bach sie sehr bewusst komponieren wollte. Entsprechend einzigartig, selbstbewusst ist der kontrapunktisch komplexe Eingangschor der Kantate gestaltet. BWV 144 «Nimm, was dein ist, und gehe hin» steht für Zurückhaltung und Selbstbeschneidung in einem Zeitalter überquellender Konsumfreude. Bach hält sich mit einer kurzen, prägnanten und präzisen Komposition an diese Vorgabe. BWV 72 «Alles nur nach Gottes Willen» kommt dermassen orchestral und musizierfreudig zu Beginn daher, dass man sich bei der Aufführung eines siebten oder achten Brandenburgischen Konzerts wähnt. Aber einmal mehr überrascht uns Johann Sebastian Bach mit etwas völlig Anderem, Neuem, zumal BWV 72 zu den weniger bekannten Kantaten gehört.
Zu guter Letzt bleibt uns noch der Hinweis, dass ab sofort und exklusiv bereits alle Produktionen aus dem vergangenen Jahr 2022 auf Bachipedia.org verfügbar sind. Wir laden Sie herzlich ein, vorbeizuhören und -zuschauen.