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«Bachs Calov-Bibel lässt uns direkt in seine Seele blicken»

8. April 2024

Ein Gespräch mit Dingeman van Wijnen, Herausgeber des Faksimiles der Calov-Bibel von Bach.

Aus dem Englischen von Christine Burlet

J. S. Bach-Stiftung: Wie sind Sie auf die Bach-Bibel gestossen und was hat Sie dazu inspiriert, eine Faksimile-Edition herauszugeben?

Dingeman van Wijnen: Der amerikanische Musikwissenschaftler Robin Leaver gab im Jahr 1985 ein Buch über Bachs Calov-Bibel heraus mit den gesammelten Anmerkungen des Komponisten und deren Abbildungen. Die Produktion und der Verkauf von hochwertigen Faksimile-Ausgaben haben in unserem Verlagshaus Tradition. Und so reifte nach und nach eine Idee: Bachs persönliche Bibel lesen und damit in seine Denkwelt eintauchen zu können, das wäre grossartig. Zudem widerlegten die drei Bände die oft gehörte Ansicht, Bachs Beziehung zur Bibel sei rein professioneller Natur gewesen und er in erster Linie Musiker, aber nicht unbedingt Glaubender. Meiner Meinung nach konnte diese Vorstellung einer genauen Prüfung nicht standhalten, denn seine persönliche Bibel zeugt von einem eng mit Luthers Bibel und Theologie verbundenen Leben.

Diese Edition war eine gewaltige Aufgabe und nahm 20 Jahre Arbeit in Anspruch. Erzählen Sie uns von den wichtigsten Etappen?

Den ersten Schritt machten wir im Jahr 1996, als wir mit der Idee an die Concordia Seminary Library in St. Louis, Missouri, gelangten, wo sich die Calov-Bibel von Bach befindet. David Berger, damals Direktor der Bibliothek, war sofort Feuer und Flamme. Dabei hätte er ja Bedenken haben können, wenn ein kleines Verlagshaus aus einem abgelegenen Winkel eines kleinen europäischen Landes sich an einer so gewagten Sache versucht. Zunächst wollten wir das Projekt nach Europa holen und verhandelten für die technische Umsetzung mit einer Druckerei in Graz. Letzten Endes war den Leuten in St. Louis die Verantwortung für diesen einmaligen Schatz aber zu gross und sie liessen die Bände nicht aus der Bibliothek und auf Reisen. Zu einem späteren Zeitpunkt ermöglichten neue digitale Entwicklungen, die Bände in der Bibliothek selbst zu fotografieren. Wir fanden eine spezialisierte Druckerei in Polen und eine wunderbare Buchbinderei in den Niederlanden. Ausserdem hatten rund 80 Interessierte ihr Exemplar vorab bestellt und bezahlt. Das war eine grosse Ermutigung und trug zur Finanzierung des Projektes bei.

«ES SIND SONST NUR WENIGE PERSÖNLICHE DOKUMENTE VON BACH ÜBERLIEFERT, SEINE GESAMMELTEN BRIEFE GÄBEN NUR EIN SEHR SCHMALES BÜCHLEIN HER.»

Was hat Sie während der Arbeit an der Bibel am meisten überrascht?

Die vielen handschriftlichen Markierungen von Bach selbst und was diese Notizen uns über sein Leben, seine Interessen und Vorstellungen erzählen. Es sind sonst nur wenige persönliche Dokumente von Bach überliefert, seine Gesammelten Briefe gäben nur ein sehr schmales Büchlein her. Seine Calov-Bibel hingegen lässt uns direkt in seine Seele blicken. Eine unerwartete technische Entdeckung waren die vielen Fehler in der Seitennummerierung der Originalbände, welche die korrekte Seitenfolge in der Faksimile-Ausgabe zu einer Herausforderung machten.

Welche Reaktionen auf die Faksimile haben Sie von Bach-Begeisterten und Forschenden erhalten?

Zunächst waren viele überrascht. Als ich nach St. Louis reiste, um das Projekt anzustossen, besuchte ich am Sonntag die örtliche lutherische Kirche. Niemandem dort war bewusst, dass sich die Bach’sche Bibel genau da in St. Louis befand! Auch der Pfarrer und der Organist wussten es nicht. Für Bach-Forschende wie Christoph Wolff und Peter Wollny und Bach-Interpreten wie der verstorbene Nikolaus Harnoncourt, Ton Koopman, Masaaki Suzuki und viele andere, nicht zuletzt auch Rudolf Lutz, war es absolut faszinierend, in ihrem Forschen und Schaffen Bach noch näher zu kommen. Und wie erwähnt, viele der Bach-Begeisterten, die es sich leisten konnten, hatten umgehend ein Exemplar bestellt. Zahlreiche davon haben uns dann erzählt, wie tief sie das Wissen dieses Schatzes bei sich zu Hause berühre.

Wie sehen Sie die Rolle und den Wert von Faksimile-Editionen im digitalen Zeitalter?

Beides hat seine Berechtigung, Faksimile-Editionen und digitale Ausgaben. Bach Digital ist ein grossartiges Werkzeug, um Originalquellen von Bach zu studieren. Zurzeit sind mir zwar keine entsprechenden Pläne aus St. Louis bekannt, aber wer weiss, vielleicht wird auch Bachs Calov-Bibel einmal dort zu finden sein. Allerdings geht nichts über die Arbeit mit einem physischen Dokument direkt in den eigenen Händen. Professor Clement, Herausgeber des Kommentarbandes zur Faksimile-Edition, hat eine Liste von fast 500 handschriftlichen Randbemerkungen und Markierungen von Bach zusammengestellt – ein Ding der Unmöglichkeit, hätte er nicht die gedruckten Seiten in Ruhe studieren können. Zudem ermöglicht die Haptik der gedruckten Bände ein Erlebnis, das digitale Versionen nie erreichen werden.

Was erhoffen Sie sich für die Faksimile-Edition und wie wünschen Sie sich deren Verbreitung und Gebrauch?

Wir haben nun 160 Stück verkauft (und gestiftet). Als Verleger erhoffe ich mir, dass wir in den kommenden Jahren weltweit weitere 840 Stück verkaufen können. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Calov-Bibel einen einzigartigen Einblick in Bachs Kirchenmusik ermöglicht. Bei der Lektüre der Anmerkungen zum Bibeltext, den Bach sehr genau studierte, werden die Kantaten, Motteten und Passionen jedes Mal auf wunderbare Weise lebendig. Ich bin sehr dankbar, dass das Faksimile so vielfältig genutzt wird: Forschende arbeiten damit, Dirigentinnen und Musiker tauchen in Bachs Denkwelt ein und Bach-Begeisterte drücken ihre Liebe zur Musik aus, indem sie diesem Schatz einen Platz in ihrem Heim gewähren.

Was hat Sie nach der Publikation am meisten überrascht?

Ich war erstaunt, wie viele Bach-Begeisterte entschlossen waren, vorab Tausende von Euro zu bezahlen an ein ihnen unbekanntes Verlagshaus, ohne Beispiele unserer Arbeit gesehen zu haben, nur weil sie sich das Faksimile unter keinen Umständen entgehen lassen wollten. Zu Recht, natürlich! Ich werde nie vergessen, wie ich nach einem Urlaub im Jahr 2014 zurück ins Büro kam und eine Zahlung über 60’000 Euro vorfand, für Vorbestellungen über unseren Agenten in Japan. Ich bin davon ausgegangen, das Faksimile sei für die Kundschaft in erster Linie eine Möglichkeit, sich Bach näher zu fühlen: mehr wie ein Kunstwerk, denn als Buch zum Lesen. Aber zu meinem Erstaunen lesen die Menschen – und nicht nur die Forschenden darunter – die Bibel um ihrer selbst. Das stimmt mit meiner Erfahrung überein: Die Bibel steigert den Genuss von Bachs Musik. Erst kürzlich wurde ich um eine Werkeinführung zu einer Aufführung der Motette Jesu, meine Freude BWV 227 gebeten. Dank der Kommentare zum Römerbrief 8 im Faksimile konnte ich das Publikum durch dieses wunderbare Werk führen und mit der Kenntnis des Textes entstanden bewegende Momente.

Würden Sie rückblickend ein derartiges Projekt noch einmal in Angriff nehmen?

Zugegeben: Ich bin froh, war ich beim Start noch in meinen 40ern. Es gab Momente, in denen ich bezweifelte, dass wir je das Resultat in den Händen halten würden. Aber meine Mitstreitenden überzeugten mich, dass, zöge ich die Sache nicht durch, es niemand je tun würde. Mit so viel Hilfe und Zuspruch wurde mir die Arbeit eine grosse Freude und ich würde das Projekt in jeden Fall nochmals angehen. Ich bin allen dankbar, die das Projekt unterstützt haben, und ich bin auch Gott dankbar, dass ich erleben darf, wie die Ausgabe gebraucht und geschätzt wird.

«ABER MEINE MITSTREITENDEN ÜBERZEUGTEN MICH, DASS, ZÖGE ICH DIE SACHE NICHT DURCH, ES NIEMAND JE TUN WÜRDE.»

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SPEZIALANGEBOT

Gültig bis Ende Juni 2024 Der Van Wijnen Verlag offeriert Unterstützerinnen und Unterstützern der J. S. Bach-Stiftung die Möglichkeit, die hochwertige Faksimile-Edition von Bachs Calov-Bibel (drei Bibelbände + eine Box + ein Kommentarband) zu einem reduzierten Preis von 5’000 Euro zu erwerben (statt 5‘500 Euro).

Zusätzlich stiftet der Van Wijnen Verlag der J.S. Bach-Stiftung 500 Euro für jedes verkaufte Exemplar aus diesem Angebot.

Um von dem Angebot zu profitieren, wenden Sie sich per E-Mail (vertrieb@bachstiftung.ch) oder telefonisch (+41 (0)71 242 16 61) an die J. S. Bach-Stiftung. Die Stiftung leitet Ihre Bestellung weiter an den Verlag, der Sie bezüglich Zahlungs- und Versandart kontaktieren wird. Der Versand an Ihre Wohnadresse ist kostenlos. Die Spende des Verlags von 500 Euro geht direkt an die J. S. Bach-Stiftung in St. Gallen.

WEITERE INFORMATIONEN

www.bachbibel.de

Der Kommentar zur Faksimile-Edition enthält einen ausführlichen Bericht über das gesamte Projekt: «Johann Sebastian Bachs persönliches Exemplar des Bibelkommentars von Abraham Calov». Der zweisprachige Band in Englisch und Deutsch ist separat erhältlich unter www.uitgeverijvanwijnen.nl.

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Telefon: +41 71 242 16 65
E-Mail: medien@bachstiftung.ch

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